Immaterielles Kulturerbe darf sich verändern

 

Prof. Dr. Werner Mezger nahm das närrische Auditorium auf einen tiefgründigen und kurzweiligen Spaziergang durch das Reich der Narretei mit

Im Rahmen der Benefizveranstaltung für Tannheim in der Zehntscheuer hielt der Freiburger Kulturanthropologe Prof. Dr. Werner Mezger einen Vortrag zum Thema „Die schwäbisch-alemannische Fasnet – ein Kulturerbe“. Er verstand es geschickt, sowohl die Schülerinnen und Schüler als auch die rund 250 Erwachsenen in die Geheimnisse der Fasnet einzuweihen. Dabei bezog er sich auch immer wieder auf Rottenburg.

Seinen profunden Vortrag stützte Mezger mit historischen Bildern sowie aktuellen Fotografien.

Der Referent richtete seinen Blick zunächst auf das Mittelalter und räumte mit der immer noch weit verbreiteten Annahme auf, die Fastnacht habe einen heidnischen Hintergrund. Vielmehr sieht der Freiburger Kulturwissenschaftler die Fastnacht (= Nacht vor der Fastenzeit) im Christentum verankert. Die Menschen, so Mezger, hätten vor der Fastenzeit noch einmal ausgelassen gefeiert. Bis ins 15. Jahrhundert sei die Kirche diesem kulturellen Phänomen nicht übermäßig negativ gegenübergestanden.

Erst im Laufe des 15. Jahrhunderts hat sich laut Mezger die Einstellung der Kirche zur Fastnacht gravierend verändert: Sie sei im augustinischen Sinne mit dem „civitas diaboli“ (Teufelsstaat) gleichgesetzt worden. Die sich anschließende Fastenzeit hingegen habe man mit der „civitas Dei“ (Gottesstaat) in eins gesetzt (-> Zwei-Staaten-Lehre des heiligen Augustinus).

So sei es nicht verwunderlich, dass die ersten Masken Teufelsmasken gewesen seien. Damit stellte Mezger einen Bezug zu Rottenburg her, denn auch der Ahland, so der Referent, sei eine teufelsnahe Gestalt.

Mezger erklärte, dass es sich bei der schwäbisch-alemannischen Fasnet seit 2014 um ein immaterielles Kulturerbe der Unesco handle. Inzwischen, betonte der Kulturanthropologe, sei jedoch bereits die nächste Stufe in Vorbereitung: Die Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte (Anmerkung: an der Spitze steht Roland Wehrle, wie Sonja Faber-Schrecklein Stiftungsvorstand in Tannheim), habe gemeinsam mit den rheinischen Karnevalisten bei der Unesco den Antrag gestellt, in die weltweite Liste eingetragen zu werden.

Im Gegensatz zum „materiellen Kulturerbe“, das in seiner Form bewahrt werde, gehe es beim „immateriellen Kulturerbe“ um behütende Begleitung. Letzteres könne sich auch verändern, wobei hier die eine oder andere Gefahr für das immaterielle Kulturerbe bestehe. Dazu würden zum Beispiel die „Hexengruppen ohne Tradition“ zählen, die durch ihr Verhalten hier und da negativ auffallen würden.

Inzwischen, so Mezger, sei man dabei, die immateriellen Aspekte der Fasnet digital erfahrbar zu machen. Prof. Mezger ist im Narrenschopf Bad Dürrheim fachlicher Berater für „museum4punkt0“. Damit, so der Referent, könne man das ganze Jahr über Fasnet live erleben.

Für seinen aufschlussreichen Vortrag erhielt Prof. Dr. Werner Mezger lang anhaltendenden Applaus.

Bild: Stefan Löffler