Mitten ins Grüne…

… ging es für den deutsch-polnischen Schüeraustausch in Rottenburg vom 28.5. – 8.6.2019.

1. Deutsch-polnischer Kulturaustausch früher und heute

 Bild links: früher   –   Bild rechts: heute

Zum besseren Verständnis des rechten Bildes hier ein Ausschnitt des dazugehörigen Dialogs:

Schüler A zu B (beide deutsch): „Thomas Müller verdient übrigens 80 Millionen – in der Stunde!“

Schüler B: „Ach, Pustekuchen!“

Schülerin C (polnisch): „Was bedeutet „Pustekuchen“?

Schüler B: „Egal“

Schülerin C: Ich möchte es aber wissen, was heißt „Pustekuchen“?“

Schüler A und B: „Egaaal!“

Schülerinnen C und D (polnisch): „Das ist nicht egal. Was bedeutet es, sagt doch!“

Schüler A und B: „EEEEGAAAAAL!!!!“

Diese Szene steht natürlich nicht sinnbildhaft für den „modernen“ Schüleraustausch, sondern war ein Ergebnis eines Sketchwettbewerbs in gemischten Gruppen, in denen missverständliche deutsche Begriffe eine Rolle spielen sollten. Außerdem gab es unter anderem die Vorgabe, dass polnische Sätze geschickt in die Szene eingeflochten werden sollten, was unsere EBG-SchülerInnen mit Bravour umsetzten. Lustig klang das aber allemal – besonders für die polnische Gruppe.

Das linke Bild zeigt in diesem Fall überwiegend dieselben DarstellerInnen wie das rechte Bild und ist eine Art Nebenprodukt des Workshoptages mit dem Thema „Alltagskultur gestern und heute“.

Als Einstiegsimpuls zum Thema sorgte der Besuch im Museum der Alltagskultur in Waldenbuch mit entsprechenden Arbeitsaufträgen. Insbesondere die Ausstellung „Zeitsprünge präsentierte Gegenüberstellungen, die zum Nachdenken anregten.

So zum Beispiel Bettwäsche aus früheren Zeiten, die aus Stoffresten zusammengeflickt wurde neben Designerjeans mit künstlichen Verschleißspuren und Rissen. Was sagen solche Gegenüberstellungen aus über unseren Umgang mit Gegenständen und Materialien und über unser Weltbild?

Als Beispiel einer besonders eindrücklichen Gegenüberstellung wählten einige SchülerInnen den Vergleich Nachttopf/ Plumpsklo und heutiges Wasserklosett.

Es wurde deutlich, dass durch automatisierte Vorgänge der direkte Bezug zu unseren Ressourcen, in diesem Fall eben Wasser, größtenteils verloren geht, wie ein Schüler anmerkte. Selbst die banalsten Dinge des Alltags sind offensichtlich nicht (mehr) von ökologischen und damit gesellschaftspolitische Aspekten zu trennen.

An einem Workshoptag an der Schule erstellten die SchülerInnen Präsentationen zu selbstgewählten Themen wie „Essen und Ernährung“, „Feste feiern“, „Schulalltag“ und vieles andere mehr. Insbesondere das Thema „Freizeit – gestern und heute“ wurde mehrmals aufgegriffen und ein SchülerInnenvortrag über den Einfluss der Medien auf das Freizeitverhalten sorgte für kontroverse Diskussionen.

Das Thema „Alltagskultur gestern und heute“ klingt erstmal wenig tagesaktuell, kann aber verstanden werden als möglicher Auslöser zum kritischen Hinterfragen von aktuellen rasanten technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen.

 Bild links: Schüleraustausch früher   –   Bild rechts: Schüleraustausch heute: Picknick am Neckarufer

Weitere Programmpunkte ließen sich ins Thema einfügen. So zum Beispiel der (obligatorische) Besuch des Mercedes-Benz Museums in Stuttgart, das einen Überblick über mehr als 100 Jahre Mobilität gewährt. Der ebenfalls mittlerweile zum Standard gehörende Programmpunkt des Brezelbackworkshops in der Bäckerei Gehr in Tübingen bereichert um die Erfahrung, dass auch eine selbstgemachte Brezel schmeckt und tatsächlich auch heute noch ein Stück traditionsreiches „Handwerk“ im wörtlichen Sinn ist. Auch der Besuch des Stuttgarter Fernsehturms kann hier erwähnt werden als Sinnbild einer bereits „veralteten“ Moderne in Zeiten von Internet, W-LAN und Glasfasernetz.

Ganz andere zeitliche Dimensionen begegnen uns bei der Führung durch die Bärenhöhle, zu der wir hinwanderten. Tropfsteine, Stalaktiten (hängend) und Stalagmiten (stehend), sind zum Teil Millionen von Jahre alt, daneben gibt es aber auch „Jungspunde“, die nur ein paar läppische 10 000 Jahre auf dem Buckel haben. Manche Stalagmiten und Stalakiten befinden sich kurz vor der Vereinigung und man könnte ihnen geradezu bei der Säulenbildung zuschauen – wenn man ein paar Jahrhunderte Zeit mitbringen würde.

 Bild links: Gruppe am Großen Rinnental   –   Bild rechts: Der Klimaexperte erklärt uns die Bedeutung blonder Haarsträhnen…

2. Die Bedeutung blonder Haarsträhnen für unsere Wetterwahrnehmung

Diese kann gar nicht überschätzt werden, denn noch heute werden sogenannte Haarhygrometer eingesetzt, um in Wetterstationen die relative Luftfeuchtigkeit zu messen, da ein Haarbündel die Feuchtigkeit der Luft aufnimmt und sich dabei ausdehnt. Blonde Haare eigenen sich dabei in besonderem Maße.

All das erklärt uns der Meteorologe und Klimaexperte Herr Hummel auf unserer Wanderung über den Klimapfad. Dieser führt uns durch das große Rinnental, das eine klimatische Besonderheit aufweist, da es immer wieder den Kältepol (also den kältesten Punkt) Deutschlands bildet (z.B. 200 Tage Bodenfrost im Jahresdurchschnitt). Herr Hummel betreibt hier eine eigene Wetterstation. Wetterdaten, sagt er, sind heute ein Milliardengeschäft, was einem klar wird, wenn man sich fragt, wie häufig man selbst Wetterprognosen über die verschiedenen Medienkanäle abruft.

Die Daten solcher Wetterstationen bilden auch die Basis für die Erkenntnisse zum Klimawandel, ein Thema mit besonderer aktueller politischer Brisanz.

So befinden wir uns mitten im Grünen und doch im aktuellen Zeitgeschehen und können zudem auch an diesem abgelegenen Ort in eine Webcam winken, womit unsere momentane Präsenz auf der ganzen Welt und für unbestimmte Zeit abrufbar wird.

Austauschgruppe auf dem Webcambild

A propos „im Grünen“: Man konnte im Rinnental einen wahren Grünflash bekommen, was aber, wie wir erfahren, nicht selbstverständlich ist, sondern auf den kurzzeitigen intensiven Regen der vergangenen Wochen zurückzuführen ist – also wiederum dem Wetter geschuldet ist.

Warum ist aber dieser Ort so kalt? Es ist ein hochgelegenes Trockental ohne Abfluss, die kalte Luft senkt sich hinein und bildet einen Kaltluftsee.

Freie Positionierung auf dem Hügelgrat

3. „Pole auf 9 Uhr!– alles eine Frage der Position?

„Pole auf neun Uhr“ war ein – vermutlich nicht ganz ernst gemeinter –  Warnhinweis auf einen gegnerischen Spieler beim Fußballspielen. Das wurde neben dem Basketballspiel gern im Schullandheim praktiziert.

Auf etwas andere Weise spielten Positionen beim Gemeinschaftstanz eine Rolle, zumal die Choreografie so angelegt war, dass der Partner immer wieder gewechselt wurde. Eine Gruppe SchülerInnen aus einer 4. Klasse, die ebenfalls in der Jugendherberge anwesend war, fühlte sich motiviert, spontan mitzutanzen.

Auch die am selben Abend stattfindende Disco war für die meisten ein deutsch-polnisches Gemeinschaftserlebnis mit vermutlich wechselnden (jetzt individuell gewählten) Tanzpositionen.

Ständiger Wechsel beim Gemeinschaftstanz

Ansonsten war das Programm (wie sonst auch) darauf ausgelegt, dass vielfältige Aufgaben und Aktivitäten in deutsch-polnischen Gruppen ausgeführt wurden. Das funktionierte augenscheinlich und nach SchülerInnenaussagen stets sehr gut. Aus Lehrerperspektive neigt man aber immer wieder dazu, die Positionierung der deutschen und polnischen SchülerInnen zueinander zu fokussieren – am Esstisch, beim Wandern, beim Vespern usw. Man sollte sich aber auch klar machen, dass aufgrund des begrenzten gemeinsamen Wortschatzes – ob deutsch oder englisch – es einfach anstrengender und komplizierter ist, dauerhaft oder gar ständig mit den Austauschpartnern zu kommunizieren.

Dennoch: Bei einer abschließenden spielerischen Evaluation, bei der sich die SchülerInnen mittels Positionierung im Raum zu selbst gestellten Fragen und Aussagen beteiligten, wurde gerade die Verständigung zwischen den Austauschpartnern als besonders positiv angesehen. Vermutlich gehörte das zu den besonderen Qualitäten speziell dieses Austausches.

Gruppenbild vor Schloss Waldenbuch mit dem Museum der Alltagskultur

Eng beisammen beim Grillen, hoch hinaus im Hochseilklettergarten

Auf der Neckarinsel in Tübingen

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Begleitende LehrerInnen:

Wieslawa Norkowska-Nawrot

Mattheusz Budaj

Andrea Bilek

Martin Sell

Text und Bilder: Martin Sell